Chronic City - Roman by Jonathan Lethem

Chronic City - Roman by Jonathan Lethem

Autor:Jonathan Lethem
Die sprache: deu, deu
Format: epub
Tags: Roman
Herausgeber: Klett-Cotta
veröffentlicht: 2011-02-21T05:00:00+00:00


Ich musste ein paar Stunden totschlagen, bevor ich wieder zu meinem Quell der Verwahrlosung und der Liebesaffären hinabsteigen konnte. Die verfrühte Weihnachtsdekoration auf der Second Avenue und die Einladung des Bürgermeisters, die mir während der leeren Stunden des Tages ein Loch in die Tasche brannte, lenkten mich ab. Ich gebe zu, ich fühlte mich tatsächlich ein wenig geschmeichelt. Und ich hatte die fixe Idee, Oona mit zum Bürgermeister zu nehmen und unsere heimliche Affäre an einem halböffentlichen Ort zur Schau zu stellen, zu dem die Presse ganz gewiss keinen Zugang hatte. Niemand wurde so bewacht wie Jules Arnheim, das galt besonders für sein privates Domizil. Ich wollte Oona diese freudige Botschaft persönlich überbringen, wie einen Valentinsgruß. Doch ich wusste, dass sie ihre Kapitel runterhämmerte und Unterbrechungen nicht besonders schätzte. Außerdem würde sie bestimmt später zu Perkus kommen, wenn ich mich geduldete.

Ungefähr eine Stunde nachdem ich in der 84th Street angekommen war, klingelte das Telefon, aber es war nicht Oona. »Es ist Abneg«, berichtete Perkus, während er den Hörer zur Seite hielt. »Sie sitzen im Taxi, ein paar Blocks entfernt. Er sagt, Georgina habe Lust auf Burger, und fragt, ob wir sie im Jackson Hole treffen wollen?«

Darauf gab es nur eine mögliche Antwort. Ich machte mir keine Sorgen, dass Oona uns dort nicht leicht finden würde. Wir griffen nach unseren Mänteln – sogar Perkus hatte schließlich eingeräumt, dass der Winter angebrochen war, und aus seinem Wandschrank einen mottenzerfressenen braunen Parka geholt, an dem die Hälfte der hölzernen Knöpfe fehlte, sowie eine schwarze Kapitänsmütze, die ihn aussehen ließ wie einen irischen Volkssänger oder Terroristen. Wir waren gerade unten im Hauseingang, als wir das Bersten und Beben unter unseren Füßen spürten, einen sich öffnenden Spalt in den Flurkacheln, in dem Fundament des Gebäudes und im Straßenbelag. Ich bin mir nicht sicher, ob wirklich ein Brüllen zu hören war oder ob es bloß das Tosen der Stille war, die einen Augenblick später folgte.

Was auch immer unter der Erdoberfläche eingebrochen war, Stock oder Stein, es war jenseits unserer Vorstellungskraft. Die auf der Straße entlangkriechenden Autos hielten an, und auch das Klavier vom Brandy's verstummte samt dem Begleitgesang. Dann, als wir noch dastanden und versuchten es zu fassen, platzte eine Blase aus Gelächter und Geschrei in der Bar, die desinteressierten Schreihälse schienen lediglich froh, noch am Leben zu sein, und das Klavier setzte sein gemächliches Spiel fort, und die holprige Harmonie der Stimmen erklang von Neuem. Auch die Autos nahmen ihr Kriechtempo wieder auf. Und Perkus und ich gingen wie gewohnt um die Ecke auf die Second Avenue, hungrig und durstig – und, genau, wieder bekifft.

Keiner von uns sagte etwas, und in der Herzschlagsekunde vermeintlicher Gelassenheit, ähnlich dem Moment, bevor das Blut aus einem tiefen Schnitt in der Fingerkuppe tritt, schien es nicht unmöglich, dass wir unsere Stammplätze im Jackson Hole einnehmen und die ganze Sache nie wieder erwähnen würden. Bloß dass der knallbunte Fastfood-Laden nur einen Augenblick zuvor zerstört worden war. Das ganze Gebäude war nach unten weggesackt, Fensterrahmen und Beschilderung sowie Chrom-Vinyl-Sitzecken samt der



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